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Shogi in Japan Jahresrückblick 2013 (3)

Denou-sen

Zu den Höhepunkten des Jahres gehörten zweifelsohne auch die Denou-sen, die über 5 Wochen im März und April stattfanden. "Denou" (電王) könnte übersetzt werden mit "elektronischer König" oder der "König über den Elektronen". Dieses Turnier war ein Mannschafts-
spiel zwischen fünf Shogi-Profis und fünf verschiedenen Shogi-Computerprogrammen. Das Event zog ein großes Medieninteresse nach sich und sorgte dafür, dass Shogi in Japan wieder populärer wurde.

Beim Schach wurde im Jahr 1996 der damalige Weltmeister Garri Kasparow vom Schachcomputer "Deep Blue" besiegt. Das Shogispiel hat mehr Felder, mehr Figuren und außerdem dürfen die geschlagenen Figuren wieder verwendet werden. Daher dauerte es beim Shogi etwas länger, bis die Computerprogramme annähernd so stark wurden wie die Profis. Im Jahr 2005 wurde der damalige 22-jährige Profispieler Takanori Hashimoto zu einem Event eingeladen, in dem er gegen das Programm "TACOS" spielen sollte. Hashimoto konnte zwar die Partie gewinnen, aber das gelang ihm nur äußerst knapp, was dazu führte, dass der Shogiverband allen Profis untersagte, ohne Zustimmung des Verbands bei einer öffentlichen Veranstaltung gegen einen Computer zu spielen. Im Jahr 2007 gab es ein offizielles Event mit Ryuo-Titelhalter Akira Watanabe gegen das damals stärkste Shogi-Programm "Bonanza" (Youtube-Video kommentiert von Hidetchi). Watanabe gewann die Partie, doch musste er zugeben, dass es nicht leicht war.

2011 sagte der damalige Verbandspräsident Kunio Yonenaga höchstpersönlich einem Event namens "Denousen" zu. Dieses Spiel Profi gegen das Computerprogramm "Bonkras" fand im Januar 2012 statt. Der damals schon sehr vom Krebs gezeichnete Yonenaga verlor das Spiel. Ende des Jahres erlag er seinem Krebsleiden und verstarb, jedoch nicht ohne vorher das zweite Denousen zu organisieren. Das Event wurde dementsprechend auch als Vermächtnis Yonenagas vermarktet. Im Gegensatz zu Yonenaga, der mit fast 70 Jahren schon lange nicht mehr aktiv und außerdem noch sehr krank war, sollten es die aktiven Shogi-Spieler dieses Mal "richten". Fünf Profispieler spielten gegen fünf verschiedene Programme, die bei der Weltmeisterschaft der Shogiprogramme die Plätze 1 bis 5 belegten. Die Bedenkzeit betrug 4 Stunden je Spieler und 1 Minute Byoyomi. Die Spiele wurden alle auf Samstage gesetzt, damit möglichst viele Zuschauer erreicht werden können. Titelspiele dagegen finden meistens an Werktagen statt.

Das ganze Event war auch vom Hauptsponsor und Organisator, der japanischen Dwango AG auch sehr professionell mit einem futuristischen Design inszeniert und vor allem auf ein jüngeres Publikum zugeschnitten. In einem Saal wurde gegen Eintritt (ca. 8 Euro) auf überdimensionalen Videowänden das Spiel übertragen und von einem Shogiprofi kommentiert, im konzerneigenen Videoportal niconico wurde zwischen diesem Saal und dem Spiel hin- und hergeschaltet. Das Publikum im Saal konnte wiederum die Kommentare der Zuschauer live mitlesen…

Sind die Computerprogramme schon so weit?

Am 23. März spielte der erst 18-jährige Koru Abe (4. Dan) gegen das Programm "Shuso" und gewann die Partie. Die Fans waren erleichtert, umso schwerer war es für den zweiten Spieler Shinichi Sato 4. Dan (31), denn bis zu dem Zeitpunkt hatte kein aktiver Profispieler gegen ein Computerprogramm verloren. Sato zog einen Herrenkimono an und demonstrierte damit, wie ernst er es mit dem Spiel gegen "ponanza" meinte. Bis zum Mittelspiel sah es gut für ihn aus, aber gegen Ende machte er Fehler und verlor das Spiel. Eine Woche später, am 6. April fand das dritte Spiel, Kohei Funae 5. Dan (26) gegen "Tsutsukana" statt. Auch er zog sich einen Kimono an, doch vielleicht waren der Druck und die Anspannung zu groß. Auch er verlor die Partie und es stand nun 2:1 für die Computer-
programme. Zum vierten Spiel trat der erfahrene Yasuaki Tsukada (49) gegen "Puella α" an. Puella α ist das Nachfolgerprogramm von Bonkras, der im vergangenen Jahr gegen Yonenaga gewonnen hat. Daher wurde dieses Spiel auch so etwas wie eine Revanche für Yonenaga angesehen. Dieses vierte Spiel wird wohl den meisten Shogi-Fans in Erinnerung bleiben. Tsukada entschied sich im Laufe des Spiels für ein Nyugyoku (Entering King) und spielte so lange weiter, bis er die 24 Punkte zusammen hatte. Die Parteien entschieden sich für ein unentschieden. Unvergesslich ist die Szene, wo Tsukada die Figuren mit dem Finger abzählte, um sicher zu gehen. Nach dem Spiel war Tsukada erleichtert, dass er es ermöglichte, dieses Mannschaftsspiel zumindest zu einem Unentschieden zu bringen, dabei flossen ein paar Tränchen, die er mit seinem Taschentuch abwischen musste. Solche dramatischen Momente zeigten, wie groß der Druck für die Profis war, diese Spiele zu gewinnen, obwohl für die Öffentlichkeit klar war, dass heutzutage jeder Computer einem noch so intelligenten Menschen in der Rechengeschwindigkeit weit überlegen ist.

Es lag nun an Hiroyuki Miura (39), die Mannschaftsspiele zumindest zu einem Unentschieden zu führen. Miura gehört der A-Liga an, also zu den Top10-Spielern neben dem Meijin. Für Miura hat man sehr große Geschütze aufgefahren. Er spielte gegen ein Cluster von 667 Computern an. Dafür wurden eigens mit einer Sondergenehmigung der Tokyo-Universität für diesen Tag die auf verschiedenen Vorlesungsräumen installierten Laptops für Studenten zu einem gigantischem Netzwerk zusammengeschlossen. In den Medien wurde immer wieder betont, dass diese "Monstermaschine" im Stande ist, ca. 270 Millionen Züge pro Sekunde(!) zu berechnen. Auch die Software wurde von einem Team aus Wissenschaftlern der Elite-Uni Tokyo Universität entwickelt. "GPS-Shogi" war 2012 der Sieger der Weltmeisterschaft der Shogiprogramme. Dieses letzte Spiel wurde mit großer Spannung erwartet. Während Miura relativ "normale" Züge spielte, machte GPS-Shogi im Mittelspiel für menschliche Verhältnisse fragwürdige Züge. Auch die Kommentatoren, die etwas Abstand zum Spiel hatten, konnten sich keinen Reim darauf machen. Nach 102 Zügen hatte Miura fast seine Bedenkzeit aufgebraucht und gab auf. Das Merkwürdige an diesem Spiel war, dass sich keiner erklären konnte, warum Miura verloren hat. In Internetforen und auch unter Profis wurde viel diskutiert und man kam zu Schluss, dass Miura keine fragwürdigen oder gar schlechten Züge gespielt hatte. Die Shogi-Profis mussten schließlich ihre Niederlage eingestehen. Der Popularität der Shogi-Profis und dem Spiel im Allgemeinen tat diese Niederlage jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil: durch dieses Event interessierten sich viele Japaner (wieder) für Shogi, es war ein Riesenerfolg.

"Die Revanche der Menschen"

Wegen dem überaus großem Interesse war bald klar, dass es ein drittes Denousen geben muss. Für das nächste Denousen gab es im Vorfeld viele Diskussionen über die Gestaltung des Turniers, sowohl in der Internetgemeinde als auch unter den Experten im Shogi-
verband und auch bei den Softwareentwicklern. Folgende Punkte wurden als "ungerecht" bzw. "überdenkenswert" empfunden: während es bei Spielen unter Profis üblich ist, sich auf ein Spiel vorzubereiten, indem man vergangene Spiele des Gegners studiert und seine Stärken und Schwächen kennenlernt, war es bei den Denousen die Entscheidung den Entwicklern überlassen, ob sie das Programm dem Profi zu Trainingszwecken zur Verfügung stellen oder nicht. Ein Organisator der Veranstaltung erklärte es während einer Livesendung so: ob das Programm zur Verfügung gestellt wird oder nicht, hänge meistens von der Priorität des Entwicklers ab, der Sieg beim Turnier oder ihre Forschung. So wurde erklärt, dass z.B. beim Entwickler von "Shuso" Akira Takeuchi seine Forschung im Vordergrund stand. Er bat den Profi regelrecht darum, sein Programm zu testen und ihm später zu berichten, wo es Schwachstellen gibt. Abe hat monatelang mehrere Spiele pro Tag gegen Shuso trainiert und hatte seine "Macken" erkannt und gewann als einziger in der Mannschaft der Shogiprofis. Die anderen bekamen entweder gar kein Programm oder nur die Vorgängerversion oder wie bei Miura der Fall, keine Gelegenheit, die tatsächliche Stärke festzustellen, da das Programm auf einem Haushaltcomputer lief, statt auf dem "Großrechner" der Universität. So mussten die meisten Profis gegen einen völlig fremden Gegner spielen. Der zweite Punkt war die Hardware: ein Wettbewerb zwischen einem Olympiasieger im Rennen gegen einen Sportwagen würde auch keinen Sinn machen. Das bezog sich vor allem auf das letzte Spiel von Miura. Das Aufwarten eines Riesennetzwerks wurde als problematisch angesehen. Vielmehr müsse es darum gehen, die Software zu testen, also die Fähigkeit der künstlichen Intelligenz, bestimmte Entscheidungen zu treffen und nicht die Rechengeschwindigkeit. Aus diesen zwei Punkten wurde für das 3. Denousen ein neues Reglement festgelegt: jeder Profi bekommt das Programm zum Trainieren im Vorfeld ausgehändigt. Bei allen fünf Spielen wird die gleiche Hardware verwendet, das Zusammenschließen von mehreren PCs ist nicht mehr erlaubt. Außerdem wird die Bedenkzeit um eine Stunde auf 5 Stunden verlängert.

Die Verkündung bzw. Vorstellung der fünf Shogispieler für das nächste Turnier im Oktober wurde auch zu einem spannenden Event. Tatsuya Sugai 5. Dan (21), Shinya Sato 6. Dan (36), Masayuki Toyoshima 7. Dan (23), Taku Morishita 9. Dan (47) und schließlich auch wieder ein A-Liga-Spieler Nobuyuki "Ninja" Yashiki (41) werden dieses Mal antreten (offizielles Video des Veranstalters). Das Spielniveau ist im Durchschnitt gesehen höher als bei den Vorgängern. Anders als in diesem Jahr werden auf der Softwareseite nicht automatisch die fünf Bestplatzierten der Weltmeisterschaft, sondern die fünf Programme durch ein gesondertes Qualifikationsturnier ermittelt. Am 10. Dezember wurden dann die Paarungen verkündet (offizielles Video) und ein Ehrengast dufte das Auslosen durch Furigoma durchführen. Kein geringerer als der amtierende japanische Ministerpräsident führte das Furigoma durch (offizieller Bericht). Es lagen fünf Bauern auf der oberen Seite, und somit dürfen drei Mal die Profis als Sente (Schwarz) spielen, zwei Mal spielen sie als Gote (Weiß) im Wechsel. Für die Shogifans im Japan steht fest: Die Denousen im nächsten Jahr werden wieder spannend.

Links:
Offizielle Turnierseite: http://ex.nicovideo.jp/denou/
Weitere Videos des Veranstalters: http://ex.nicovideo.jp/denou/movie.html.

In Youtube gibt es auch Zusammenfassungen von Privatpersonen. Geben Sie einfach 電王戦 in die Suchleiste ein.

(Foto und Screenshot: M. Pfaff)